25.03.2024

Glycodelin kann Therapiekontrolle von Lungenkrebs-Patientinnen unterstützen

Das Lungenkrebs-Gewebe wird mittels Multiplex-Immunfluoreszenz-Färbung untersucht, um Tumorzellen, Glycodelin und T-Zellen parallel darzustellen. (Foto: Sebastian Marwitz)

Während und nach einer Lungenkrebstherapie erfolgen regelmäßige Untersuchungen, um zu überprüfen, ob die Behandlung dauerhaft erfolgreich ist – oder ob der Krebs zurückkommt. Dies ist sowohl für die Behandelnden als auch die Patientinnen und Patienten von großer Bedeutung. Ein DZL-Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass das Auftreten des Proteins Glycodelin im Blut darauf hindeutet, dass eine Therapie versagt hat. Daraus ergeben sich interessante Schlussfolgerungen.

Immuntherapien reaktivieren die körpereigene Abwehr und befähigen sie so, einen Tumor zu bekämpfen. Auch für den nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC) konnten die Überlebenszeiten von Patientinnen und Patienten, die so behandelt wurden, deutlich verbessert werden. Nichtsdestotrotz schlagen Immuntherapien nicht bei allen an. Das lässt vermuten, dass weitere Mechanismen existieren, die eine Rolle spielen.

Frühe Ergebnisse aus Heidelberg

Bereits in früheren Studien hatten Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vom DZL-Standort TLRC Heidelberg festgestellt, dass die mRNA für Glycodelin in Lungentumoren verstärkt gebildet wird. Zudem haben Frauen mit solchen Tumoren eine verkürzte Überlebensdauer. Die eigentliche Funktion des Proteins Glycodelin ist es, das mütterliche Immunsystem der Gebärmutter am Anfang der Schwangerschaft herunterzuregeln. Dies ist notwendig, damit es den Fötus nicht als „fremd“ erkennt. Tumore machen sich diese Funktion zunutze, indem sie die Produktion von Glycodelin erhöhen.

Neue Erkenntnisse zur Wirkweise des Glycodelins

Die neue Studie hatte zum Ziel, die dahinterstehenden Wirkmechanismen von Glycodelin genauer zu untersuchen. Hierzu kooperierten die Heidelberger mit Wissenschaftlern des Forschungszentrums Borstel vom DZL-Standort ARCN. Gemeinsam konnte sie feststellen, dass Glycodelin stark an bestimmte Untergruppen von Immunzellen bindet und so verschiedene Signalwege beeinflusst. Es wurden Gene dereguliert, die mit Entzündungsvorgängen oder der Tumorumgebung zusammenhängen. In sogenannten Multiplex-Immunfluoreszenz-Färbungen, mit denen man eine Vielzahl von Oberflächenproteinen parallel bestimmen und räumlich auflösen kann, trat zutage, dass es sich bei diesen Immunzellen unter anderem um CD8-positive T-Lymphozyten handelt. Gerade diese – auch „zytotoxisch“ genannten – T-Zellen spielen eine besondere Rolle bei Immuntherapien. Es ist denkbar, dass Glycodelin deren Wirkung blockiert und dadurch zum Therapieversagen beiträgt.   

Klinischer Einsatz denkbar

Weitere Untersuchungen zeigten nun, dass Glycodelin auch im Blut von Patienten und Patientinnen nachgewiesen werden kann. Hier gab es einen klaren Zusammenhang zwischen hohen Werten und einer frühen Rückkehr des Tumors – aber nur bei Frauen. Bei diesen trug Glycodelin also zur Unterdrückung des Immunsystem und somit zum Wiederauftreten des Tumors bei.

Glycodelin ist somit ein wichtiger geschlechtsspezifischer Marker, der in der Therapiekontrolle verwendet werden kann. Darüber hinaus ist es denkbar, einen Antikörper-Wirkstoff zu entwickeln, der Glycodelin blockiert. Auf diese Weise könnte dem Tumor ein weiterer Weg genommen werden, einer Therapie zu entgehen. Dr. Sebastian Marwitz vom Forschungszentrum Borstel zeigt sich dazu optimistisch: „Die Ergebnisse zur geschlechtsspezifischen Rolle bieten einen exzellenten ersten Schritt Richtung Präzisionsmedizin und gezielter Nachverfolgung oder Behandlung aufgrund individueller Patientinnen-Eigenschaften.“ Studienleiter Dr. Marc Schneider von der Thoraxklinik Heidelberg ergänzt: „Neben den Checkpoint-Inhibitoren der Immuntherapie stellt die Blockade der Bindung von Glycodelin an Immunzellen somit eine alternative Möglichkeit dar, um den Tumor zu bekämpfen.“

Erfolgreiche Kooperation im Rahmen des DZL

Die Studie beruht auf einer erfolgreichen Kooperation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungszentrums Borstel (DZL-Standort ARCN), des Deutschen Krebsforschungszentrums, der Thoraxklinik und der Universität Heidelberg (alle drei DZL-Standort TLRC). Sie wurde Mitte des Monats im Fachmagazin Translational Research veröffentlicht. Die Erstautorin der Studie, Sarah Richtmann, erhielt Unterstützung durch das Mobility-Grant-Programm der DZL Academy.

 

Quelle: Richtmann S, Marwitz S, Muley T, Koistinen H, Christopoulos P, Thomas M, Kazdal D, Allgäuer M, Winter H, Goldmann T, Meister M, Klingmüller U, Schneider MA (2024) The pregnancy-associated protein glycodelin as a potential sex-specific target for resistance to immunotherapy in non-small cell lung cancer. Translational Research (ARCN, TLRChttps://doi.org/10.1016/j.trsl.2024.02.007

/jbul



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