26.06.2023
AKEK-Forschungspreis 2023 für Gesine Richter
Dr. Gesine Richter erhält für ihre Doktorarbeit den Forschungspreis 2023 des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen Deutschlands (AKEK). Sie untersuchte die Frage, unter welchen Bedingungen Menschen bereit sind, medizinische Behandlungsdaten für die Forschung zu spenden, ohne vorher explizit eingewilligt zu haben.
Immer wenn Patientinnen und Patienten an Forschungsvorhaben mitwirken, müssen sie über Zweck, Nutzen und Risiken informiert und um ihre Einwilligung gebeten werden. Dies ist bei klinischen Studien im Zusammenhang mit einer Therapie der Fall, aber auch bei Beobachtungsstudien, bei denen Patientendaten und Biomaterialien wie Blut oder Urin gesammelt werden. Eine weiter gefasste Einwilligung stellt der sogenannte „Broad Consent“ dar. Dabei erklären sich Patienten und Patienten damit einverstanden, dass Daten, die beispielsweise im Rahmen eines Klinikaufenthalts entstehen sowie nicht mehr benötigte Reste von Biomaterialien – wie Gewebe aus einer Operation – für die Forschung genutzt werden dürfen, ohne dass zum Zeitpunkt der Aufklärung bereits ein mögliches Forschungsvorhaben bekannt ist. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Campus Kiel), wo Dr. Gesine Richter arbeitet, führte diesen Broad Consent bereits 2015 ein.
Potential der Nutzung von Gesundheitsdaten in der Forschung ist hoch
Durch technische Entwicklungen wie die elektronische Speicherung medizinischer Daten (im Gegensatz zur papierbasierten Akte) sind diese in verschiedenen Kontexten verfügbar. Ihre Verknüpfung und Analyse birgt großes Potential, die Gesundheitsversorgung durch Forschung voranzubringen. Die Notwendigkeit solcher Forschung wurde gerade in der Corona-Pandemie deutlich. Die Schranken für die Nutzung dieser Daten sind jedoch hoch.
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersuchte Gesine Richter die Bereitschaft von Menschen, ohne explizite Einwilligung an Forschungsprojekten teilzunehmen. Das heißt, dass Daten und Biomaterial von Patientinnen und Patienten genutzt werden könnten, ohne dass sie ausdrücklich einwilligen („Datenspende“), allerdings mit dem Recht des aktiven Widerspruchs (Opt-out). Dieses Konzept wird auch im Zusammenhang mit der Organspende diskutiert.
Bürgerinnen und Bürger sehen Datenspende positiv
Richters Untersuchungen zeigen, dass die Datenspende von einer großen Mehrheit positiv gesehen wird. Viele Patientinnen und Patienten sind bereit, etwas zurückzugeben, wenn sie selbst von Forschung profitiert haben. Mehrheitlich wird es als Pflicht eines jeden Bürgers gesehen, mit der Nutzung der eigenen Daten zum medizinischen Fortschritt beizutragen. Während eine positive Haltung gegenüber der Datennutzung durch Universitäten besteht, wird die Verwendung durch kommerziell forschende Unternehmen kritisch gesehen. Bedenken bestehen bezüglich eines unzureichenden Datenschutzes sowie der Befürchtung, Unternehmen könnten mit den Daten Profit machen. Entsprechend scheint die Akzeptanz der einwilligungsfreien Teilnahme an eine klare gesetzliche Regelung zum Datenschutz geknüpft zu sein.
Richter stellt fest, „dass die Datenspende für die medizinische Forschung, umgesetzt als Kombination aus einem Rechtsanspruch und einem einfach auszuübenden Recht auf ein Opt-out, von deutschen Patienten weitgehend unterstützt wird.“ Für eine gesetzliche Regelung der Datenspende folgert sie: „Die Einstellung der Bevölkerung zur Datenspende für die medizinische Forschung hängt also entscheidend davon ab, für wie relevant sie diese Forschung einschätzen und welche Bedenken sie hinsichtlich der Datensicherheit und -kontrolle haben. Aber die einwilligungsbefreite Datennutzung bedeutet nicht die Aufgabe des Paradigmas der informierten Einwilligung. Erforderlich ist eine Diskussion, wie der Prozess der Informationsbereitstellung über immer komplexere Sachverhalte neu gestaltet werden kann.“
Damit Bürgerinnen und Bürger eine selbstbestimmte, informierte Entscheidung über die Datenspende treffen können, müssten alle an der Forschung Beteiligten zusammenwirken, um die Gesundheits- und Forschungsdatenkompetenz der Menschen zu verbessern. Richter nennt dies die health data literacy, die sich einreihen muss in bestehende Bemühungen, die Gesundheitskompetenz in Deutschland zu steigern.
Die Verleihung des AKEK-Forschungspreises erfolgte anlässlich der diesjährigen AKEK-Sommertagung am 15. Juni 2023. Die Doktorarbeit entstand am Institut für Experimentelle Medizin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und trägt den Titel „Empirische Begleitung der einwilligungsfreien Teilnahme an medizinischer Forschung unter Einbeziehung des Begriffs der Datenspende.“ Im DZL arbeitet Richter im Bereich Qualitätsmanagement der Plattform Biobank und berät Forschende des DZL in Ethik-Fragestellungen.
Quellen:
AKEK-Forschungspreis
Pressemitteilung TMF
Dissertation Dr. Gesine Richter: „Empirische Begleitung der einwilligungsfreien Teilnahme an medizinischer Forschung unter Einbeziehung des Begriffs der Datenspende“
/jbul